«Also habe ich doch nicht alles falsch gemacht …» - Nachruf für Hartmut Wendland, 1948-2018, Dirigent des LaO von 1982-1995 

Um es vorwegzunehmen: Natürlich, Hartmut, du hast den LaO damals sogar erneut zu einem musikalischen Höhenflug gebracht! Zu deinem Tun im Folgenden ein paar Ausschnitte:

Kurzbiographie von Hartmut Gagelmann alias Wendland in Stichworten

Geboren in der DDR, Flucht nach Westdeutschland, nach dem Musikstudium Anstellung u.a.an der Oper der Stadt Köln, dann am Stadttheater St. Gallen, Orchesterdirigent, Komponist und Buchautor (in der LaO-Zeit und kurz davor z.B. «Kai lacht wieder» 1981, «Annas Tod– Briefe an das Leben» 1988, «Eine Insel wird zum Stern, 1985», «Mozart hat nie gelebt, 1990»).

Seine grössten Erfolge mit dem LaO:

  • 1987/88 Radio DRS sendet 1992 die LaO-Aufnahme der Deutschen Messe.
  • 1988: 1. Rang, Kat. Männerchöre, am ersten Nationalen Chorwettbewerb in Schaffhausen.
  • ab 1992 neue Radioaufnahmen und Herausgabe einer CD.
  • Neben Auftritten v. a. in der Ostschweiz Konzertreisen nach Limburg, Pforzheim-Ispringen, Thalheim, Halle an der Saale. Erklärtes Ziel an Gesangsfesten war das Prädikat «vorzüglich».

Die Zusammenarbeit mit Musikerinnen und Musiker wie Dorothee Harsch, Bonita Glenn, Juandalynn Abernathy, Malcolm Green, Thurgauisches Kammerorchester usw., bleibt uns in bester Erinnerung.

Zeichen seiner Verbundenheit:

Der Verstorbene hat dem Liederkranz etliche Kompositionen gewidmet und sie mit ihm uraufgeführt. Seine eigene Musik, das waren feine Klangwelten, in die man eintauchen konnte, mit einem träumerischen Anteil, Klang-Malereien (vokal z. B. «Schläft ein Lied in allen Dingen », «Maria Magdalena», «Desiderata» «Schlussstück»). Was er sonst für den Chor wählte,
war eine breite Palette von russischer Liturgie, Jascha, Kasatschok über amerikanische Gospel zu Schubert und manchmal auch scheinbar einfachste Stücke wie «Der Mond ist aufgegangen » (Siegerlied am 1. Nationalen Chorwettbewerb!).

Unvergesslich bleibt die Uraufführung seiner Komposition «Desiderata» (Opus für Männerchor, Alt und Orchester, aufgeführt zusammen mit dem Jugendsymphonieorchester Thurgau zum Chorjubiläum «125 Jahre LaO»).

Typische Wendland-Didaktik und der Erfolg:

Hartmut schlug oft ungewohnte Wege ein. «Wenn ein Sänger den Schluss des Liedes beherrscht, singt er ohne Hemmungen darauf zu»; logischerweise also: Zuerst den hinteren Teil üben, dann erst das ganze Stück. Und bitte präzis! Feilen, feilen, feilen! (So ging er auch in seinem Buch «Mozart hat nie gelebt» persönlich vor, das mit dessen Tod beginnt, dann rückwärts die Biografie entwickelt und Angedichtetes von gesicherten Fakten trennt.)

Aus aktuellem Anlass hat die Wifelder Sängerzitig dem damaligen Präsidenten Hubert Haag dazu ein paar Fragen gestellt.

Hubert, was ist dir aus dieser Zeit vor allem in Erinnerung geblieben?
Hartmut hat sich nach dem unerwartet raschen Tod von Paul Forster auf einen Aushang im Stadttheater St. Gallen gemeldet. Es war ein Glücksfall. Wir waren zwar sehr unterschiedliche Charaktere. Unser gemeinsamer Bereich war vor allem der Chor. Hier haben wir uns immer sehr gut verstanden. Hartmut war vor den Proben oft bei mir zu Hause. Ich habe von ihm als Profi viel gelernt.

Was lag deiner Meinung nach Hartmut vor allem am Herzen?
Hartmut hatte einen starken akademisch-professionellen Zugang zur Kunst, war ausserdem sehr vielseitig (vgl. Kurzbiografie; red.). Vieles in seinem Schaffen hatte auch mit seiner Biografie zu tun, war in gewissem Sinne Verarbeitung. Als Autor hat er sich Manches von der Seele geschrieben.

Wie hast du Hartmut als Person erlebt? Welche Seiten hast du an ihm vielleicht besonders geschätzt?
Hartmut war stets ein Suchender. Er war äusserst feinfühlig. Unter einer manchmal rauen Schale verbarg sich ein weicher Kern. Das haben vielleicht nicht immer alle verstanden. Aber trotz markigen Sprüchen hat er «seinen» Chor immer geliebt und sich über die gebliebenen Kontakte gefreut. Und er hat die Sänger auf ein hohes Niveau geführt, herausgeholt, was möglich war, hat für sich und die Teilnehmer Grenzen ausgelotet. Trotz einigen Abgängen hat er den LaO recht eigentlich gerettet. So soll eine Zuhörerin nach einem Konzert einmal gesagt haben: «Jetzt ist der Liederkranz wirklich wieder der Liederkranz» …

Du hast in den letzten Jahren immer wieder periodisch mit Hartmut Kontakt gehabt.
Ja, er schätzte diese Besuche. «Komm nur; das freut mich sehr.» Es war bis zuletzt eine Freundschaft ohne negative Gefühle, mit zufriedenen Rückerinnerungen. So wollte er z. B. auch, dass der Liederkranz im Falle seines Todes durch den Bruder kontaktiert werde.

Als «Schlusswort» sei Hartmut selbst beim Rücktritt von seiner Tätigkeit bei uns zitiert: «Die Geschichte ist zu Ende, die Liebe aber nicht … Ich wünsche mir nichts mehr, als eines Tages im Konzert zu sitzen und voller Stolz zu denken: Das war mein Chor! … Ihr wart Teil meines Lebens – Jetzt strengt euch verdammt nochmals an, dass ihr es bleibt.» Danke, Hartmut.

Ruedi Senn
Wifelder Sängerzitig Nr. 146, September 2018